Scriba

SCRIBA monatlich

Die spitze Feder



Die Meinung des Kolumnisten deckt sich nicht zwangsläufig mit der Blattlinie.

Persönliche Beobachtungen von Vorgängen um die Justiz und in Justizanstalten.

Scriba - Die spitze Feder


Kurier-Leser sind bekanntlich informiert. Und so durfte man vor einiger Zeit erfahren, dass auch im Bereich Justiz die Steuergeldmillionen rollen. Sind mit Stand 1. August 2021 1.351 Menschen im Maßnahmenvollzug untergebracht, nimmt es nicht Wunder, dass die Justizanstalten aus den Nähten platzen. Da muss dringend was geschehen.


Nun, man könnte einiges hinterfragen:


Was haben zum Beispiel gemäß § 21.1 StGB in den Maßnahmenvollzug eingewiesene „geistig abnorme Rechtsbrecher*innen“ in Justizanstalten verloren? Nichts. Sie wurden bezüglich des von ihnen gesetzten Deliktes als zurechnungsunfähig, also als schuldunfähig erkannt. Irgendein bestellter Gutachter hat eine psychische Krankheit attestiert und die Einweisung empfohlen. Im Gefängnis angekommen gibt es erst einmal die Medikamentenkeule, um einen einigermaßen „ruhigen“ Aufenthalt zu garantieren.


War ursprünglich angedacht den Menschen zu therapieren.

und nicht zu bestrafen, warten einige angeblich jahrelang auf einen Einzeltherapieplatz. Auf krankheitsbedingte Besonderheiten und Bedürfnisse der Untergebrachten wird dabei kaum Bedacht genommen. Den Vogel schießt die Aktion Josefstadt ab. Dorthin hat man einige „21“-Einser“ ausgelagert, um dann dem Gericht anlässlich einer „Anhörung“ schriftlich mitzuteilen, dass die Josefstadt weder in der Lage ist Therapien anzubieten, noch Ausgänge zu organisieren. Alles auf Kosten von unwiederbringlicher Lebenszeit von Menschen. Die Frage bleibt, ist das dumm, grausam oder beides?


Man darf auch fragen, wie oft „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ von einer Polizei provoziert wird, die im Umgang mit kranken Menschen allzu oft überfordert ist und auf diese Menschen professionell falsch zu geht?


Man muss sich auch fragen, ob es nicht möglich wäre, statt auf Teufel komm raus einzuweisen, auf Basis entsprechender Settings bedingt einzuweisen und ambulant an der Stabilisierung oder gar Gesundung zu arbeiten?


Nun, das wären Überlegungen die einer Gesellschaft ein hohes Maß an Menschlichkeit unterstellt. Doch lässt sich dies politisch nicht in Kleingeld ummünzen. Daher, wieder zurück zum Kurier vom 30.07.2021:


„Abnorme Rechtsbrecher brauchen Platz – 75 Mio Euro Investition in den Ausbau der Justizanstalt Göllersdorf, 65 Mio Euro in den Ausbau der Justizanstalt Asten. Insgesamt 200 zusätzliche Plätze (für nach § 21.1-Eingewiesene - Anm. des Verf.).“


200 zusätzliche Plätze, da bekommt man Angst. 140 Millionen die man besser in die Qualität des Betreuungspersonals, durchaus auch des leitenden Personals, investieren könnte. Man könnte auch das Gutachter(un)wesen sanieren. Nicht mit höheren Honoraren, sondern im Hinblick auf Hippokrates. Und, und, und…


Wir sind eine Rachegesellschaft. Wir bauen noch mehr Gefängnisse, in denen noch mehr Medikamente eingesetzt werden und das einzig wirksame Heilmittel mehr und mehr in Vergessenheit gerät: Die Liebe.


Wer Menschen nicht liebt, hat kein Recht sie zu maßregeln.


Denken Sie gerne darüber nach

und passen Sie gut auf sich auf, herzlichst Ihr  Scriba

16.08.2021


Scriba - Die spitze Feder


Am 25. Mai 2021 sprach die Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadic anlässlich einer Pressekonferenz zu uns: „Der heutige Tag ist ein historischer. Seit fast 50 Jahren ist der Maßnahmenvollzug in Österreich in seinem Kernbestand unverändert. Heute bringen wir eine umfassende und tiefgreifende Reform des Maßnahmenvollzugs auf den Weg.“

 

Seinen ersten Höhepunkt und damit doch auch das Interesse der Öffentlichkeit erreichte der Maßnahmen-vollzugswahnsinn im Mai 2014. Der Kurier schrieb damals: „Die Zehennägel rollen sich bereits ein, so lang sind sie. Die Füße sind komplett verkrustet von Geschwüren. Dazu mischt sich intensiver Verwesungs-geruch. Doch der Mann, dem diese Füße gehören, ist nicht tot. Er sitzt im Maßnahmenvollzug in der Justizanstalt Krems-Stein.”


Justizminister Wolfgang Brandstetter sagte im Falter: "Das ist eine Katastrophe, so etwas darf nicht passieren." Tatsächlich wurde im Juni 2014 eine Expertenkommission zusammengestellt, die dann im Jänner 2015 ihren „Bericht an den Bundesminister für Justiz“ veröffentlichte. Es wurden 92 Empfehlungen für die Schaffung eines zeitgemäßen und menschenrechtskonformen Maßnahmen-vollzugs erarbeitet, die bis heute auf ihre Umsetzung warten. Wäre diese angedachte Reform damals umgesetzt worden, mit Fug und Recht hätte man von einer umfassenden und tiefgreifenden Reform des Maßnahmenvollzugs sprechen können.


Nun, neben allen politischen Uneinigkeiten hatte dann der Mord am Brunnenmarkt vom 4. Mai 2016 das endgültige Aus der Reformpläne bedeutet. (Anm. des Red.: Dieser Straftat lag ein Multibehördenversagen zugrunde und hatte mit dem Maßnahmenvollzug nichts zu tun).


2017 und 2019 gab es Nationalratswahlen, jeweils mit der Vorlaufzeit des Wahlkampfes. Da wurde natürlich diesbezüglich gar nichts bewegt. Auch die „Expertenregierung“ sah sich eher als statischer Platzhalter. All das ging auf die Lebenszeit von Menschen, die zum Teil wegen geringfügiger Delikte im Maßnahmenvollzug untergebracht sind.


Die zerstückelte Leiche vom Neusiedler See im April 2019 war für das Thema Maßnahmenvollzug auch nicht gerade hilfreich. Der Täter war zuvor bedingt aus dem MNVZ entlassen worden. Mithäftlinge damals: „Das kann nicht gut gehen, bei dem seiner Einstellung zu Frauen.“


Folge davon: Nun fielen die psychiatrisch-forensischen Gutachter ins andere Extrem. Seitdem gilt "besser länger sitzen als zu früh entlassen" werden.


Rätselfrage: Wieviel von 92 Empfehlungen finden sich im Reformpapier 2021? 10 - nein, noch weniger.

Ungeklärt bleibt, was diesen "Reformbeginn" auf den Weg brachte. Nun manche meinen, er wäre auf die Aussage des Innenminister zurückzuführen, der nach der Katastrophe vom 2.11.2021 die Idee hatte, Terrorist*Innen und potentielle Terrorist*Innen im Maßnahmenvollzug anzuhalten. Ohne diese Aussage? Man weiß es nicht.


Zurück zur PK der Frau Ministerin - zum Schluss ließ sie uns noch wissen: „In Zukunft werden Personen, die eine echte Gefahr für die Gesellschaft darstellen, weiterhin zuverlässig untergebracht und betreut werden. Zugleich werden nicht gefährliche Personen nicht mehr im Maßnahmenvollzug untergebracht werden. Mit der Reform erhöhen wir die Sicherheit unserer Gesellschaft und machen den Maßnahmenvollzug menschenrechtskonformer“.

Da frage ich mich nun, ob man im Ministerium überhaupt weiß, wie die Justiz in der Praxis agiert. „Weiterhin zuverlässig…“ geht doch um Weiten an der Realität vorbei. Und, sehr geehrte Frau Ministerin, sie müssen den Maßnahmenvollzug nicht menschenrechtskonformer machen, es genügt völlig wenn das Regulativ und die Behandlung der Untergebrachten im Maßnahmenvollzug in Zukunft menschenrechtskonform sind.


Liebe LeserInnen, auch ihnen empfehle ich sich der Steigerungen und Annäherungen zu enthalten. Sie müssen nicht besser werden, es genügt wirklich wenn sie gut sind.


Denken Sie gerne darüber nach

und passen Sie gut auf sich auf, herzlichst Ihr  Scriba

26.09.2021


Scriba - Die spitze Feder


Maßnahmenvollzug und Rechtsanwälte

Ein weiteres trauriges Kapitel in der österreichischen Juristerei.

Liebe LeserInnen,

auch ihnen empfehle ich, bevor sie einen Anwalt/eine Anwältin beauftragen, sich wirklich gut über ihn/sie zu informieren. Studieren sie seine/ihre Webseite. Notieren sie sich von unserer HomePage einige Details zum Maßnahmenvollzug und stellen ihrem potentiellen Anwalt/ihrer potentiellen Anwältin ein paar Testfragen. Wenn sie die Worte „kein Problem“ aus dem Anwaltsmund hören, ergreifen Sie die Flucht. Anwaltliches Einschreiten in Maßnahmenvollzugs-Causae ist immer mit besonderen Herausforderungen, besonderen Kenntnissen und viel Engagement für den Anwalt verbunden. Auch wenn gleich eine opulente Vorauszahlung verlangt wird - bevor sie Geld in die Hand nehmen - verlangen sie vom Anwalt, er möge seine Strategie in Form eines Leistungskataloges vorlegen.


Denken sie daran, ein Anwalt/eine Anwältin ist auch nur ein Dienstleister/eine Dienstleisterin, der/die mit vollem Einsatz für seine/ihre Mandanten (Kunden) da zu sein hat und die Leistung, die er/sie verkauft, exakt zu definieren hat.


In den Boulvardmedien liest man oftmals von „Staranwälten“. Finger weg davon. Deren Ruf entstand durch Mandanten die in der Öffentlichkeit bekannt und berüchtigt waren und sind. Einen Serienmörder z.Bsp., der als Urteil „Lebenslang“ erwartet, zu verteidigen, bedarf nicht juristischen Geschicks, eher eines gewissen Marketing-Talents.


So viele schlechte Beispiele ich kenne, so kenne ich auch tolle Anwälte/Anwältinnen, die sich neben juristischer Expertise zur Strafvollzugsart Maßnahmenvollzug auszeichnen und ganz wichtig, auch über jene Herzensbildung verfügen, die erst Menschen zu einem echten Begleiter und Berater von Menschen in Not machen.


Wenn Sie kostenlose Verfahrenshilfe in Anspruch nehmen, brauchen sie sehr viel Glück, dass ihnen ein/eine engagierter Anwalt/engagierte Anwältin mit Maßnahmenvollzugsexpertise zugeteilt wird. In der Regel kommen da vielfach Leute zum Einsatz, deren Fachbereich weitab vom Strafrecht und vom Maßnahmenvollzug liegt.


Wesentlich ist auch der Zeitpunkt zu dem sie einen Anwalt/eine Anwältin engagieren.

Die Zeitachse sieht in der Regel so aus: Delikt – Polizei/Staatsanwaltschaft – Gutachter - Hauptverhandlung – Urteil und Einweisung – optional Berufung – Entscheid des OLG.


Vor der Hauptverhandlung sind ihre Chancen am größten. Da gilt es zu prüfen, ob eine bedingte Einweisung denkbar ist und eventuell dem Gericht bereits ein fertiges Setting (Nachbetreuungsinstitut, Psychotherapeut/in, Psychiater/ in, Labor und Testabläufe) vorzulegen. Bei minderschweren Delikten und/oder entsprechenden Krankheitsbildern ist dies eine durchaus denkbare Option.


Wenn die Hauptverhandlung mit Urteil und Einweisung geendet hat, ist zu prüfen, ob eine Berufung gegen das Urteil Sinn macht, bzw. eine realistische Chance besteht am Status Quo etwas zu ändern. Dies ist der Moment, je nach anwaltlicher Leistung bei der Hauptverhandlung, eventuell einen Anwaltswechsel zu vollziehen.


Gemeinnützige Vereine, die von Politik und Behörden unabhängig (weil subventionsfrei) sind, können ihnen bei ihren Entscheidungen vertrauenswürdig zur Seite stehen.

 

Lassen sie sich nicht das Geld aus der Tasche ziehen und bleiben sie wachsam.


Denken Sie gerne darüber nach

und passen Sie gut auf sich auf, herzlichst Ihr  Scriba

22.12.2021                   

Share by: